Digitalisierung in der Schulbildung der Bundesrepublik Deutschland

Während die Digitalisierung weltweit immer weiter voranschreitet, entsteht gerade beim Blick auf die Schulbildung in Deutschland der Eindruck, dass Digitalisierungsthemen dort keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle spielen. Dabei betonen viele staatliche Stellen die Wichtigkeit von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und sogar die “Kultusminister Konferenz” veröffentlichte im Jahr 2016 ein Handlungskonzept mit dem Titel “Bildung in der digitalen Welt” [1], das Digitalisierungsthemen in der deutschen Schulbildung etablieren soll.

Person vor Laptop mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen.

Herausforderungen der digitalen Transformation für die Schulbildung

Häufig hört man, dass es wichtig sei, Digitalisierungsthemen in Schulen eine größere Rolle einzuräumen. Aber warum eigentlich? Was macht diese Themen so besonders? Ist es nicht auch möglich, auf diese Themen einfach zu verzichten, so wie das in der Schulbildung in den vergangenen Jahrzehnten getan wurde?

Ich möchte diese Frage mit einer Gegenfrage beantworten: Kannst du auf dein Smartphone verzichten? Kannst du generell auf Computer und Internetzugang verzichten? Und selbst wenn dir das gelingt, dürfte es dir dennoch unmöglich sein, dich in einer Welt zu bewegen, die frei vom Einfluss digitaler Technologien ist.

Digitale Technologien prägen heute – zumindest in sehr vielen Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – beinahe alle Lebensbereiche: Sie haben Einfluss auf unsere Kommunikation, sie steuern die Versorgung mit Energie, Nahrungsmitteln und anderen Waren. Digitale Technologien ermöglichen es uns heute, innerhalb kürzester Zeit auf beinahe das gesamte Wissen der Menschheit zuzugreifen, sie haben neue Formate der Wissensvermittlung möglich gemacht und sie sind von großer Bedeutung für die Entwicklung neuer Technologien. Dabei sind digitale Technologien vor allem eines: Sie sind Auslöser für eine gigantische Umstrukturierung der Gesellschaft, denn wie so viele Technologien in der Geschichte der Menschheit (etwa Eisenverhüttung, Dampfmaschine, Automobil, uvm.) bieten sie zuvor ungekannte Möglichkeiten, denen gemäß sich die gesellschaftlichen Strukturen nun verändern. Dieser Prozess wird meist auch digitale Transformation genannt.

Betrachten wir das an einem Beispiel: Wenn ich noch vor einigen Jahren eine*n Freund*in treffen wollte, hatte ich die Möglichkeit sie*ihn auf einer Festnetztelefonnummer zuhause oder in der Arbeit anzurufen, ich hatte die Möglichkeit, sie*ihn zu Hause oder bei der Arbeit zu besuchen und ich hatte die Möglichkeit, einen anderen Ort, an dem er*sie regelmäßig verkehrt aufzusuchen. Und natürlich hätte ich auch einen Brief schreiben können, aber das war zu diesem Zwecke schon damals in aller Regel eher untauglich. Ich möchte nicht behaupten, dass es damals eine besonders große Herausforderung gewesen wäre, Freund*innen (und andere Menschen) zu kontaktieren, aber es war – solange es keine Mobiltelefone gab – beispielsweise so gut wie unmöglich, sich von unterwegs zu einem Feierabendbier zu verabreden. Heute ist das ganz anders: Mobiltelefone und insbesondere Smartphones garantieren mehr oder weniger die ständige Verfügbarkeit von Menschen. Ohne weiteres ist es jederzeit möglich, eine*n Freund*in oder eine andere Person zu erreichen, ohne dass sich diese dazu zu Hause oder an einem bestimmten Ort befinden muss. Lediglich ihr Handy muss Empfang haben.

Derart veränderte Rahmenbedingungen verändern natürlich auch die Art und Weise wie die Menschen ihr Leben gestalten. Und sie schaffen neue Herausforderungen. Es hat beispielsweise nicht lange gedauert, bis auch Arbeitgeber*innen die Vorzüge einer ständigen Verfügbarkeit ihrer Arbeitnehmer*innen für sich entdeckt haben. Die Folge: Eine höhere Stressbelastung der Menschen und zum Teil völlig neue Krankheitsbilder, die ihre Ursache in dieser Mehrbelastung haben. Ständige Verfügbarkeit, das wissen wir heute, kann eben auch mehr Fluch denn Segen sein.

Aber das ist nur ein Beispiel dafür, wie digitale Technologien Einfluss auf das Leben des Individuums haben und gesellschaftliche Strukturen verändern. Egal ob im Hinblick auf Kommunikation im Allgemeinen, das Arbeitsleben, die Haushaltsführung oder die Freizeitgestaltung: Überall lassen sich tiefgreifende Veränderungen durch digitale Technologien beobachten. Die bislang ungesehenen Folgen dieser Veränderung werden uns vermutlich auch weit in der Zukunft noch beschäftigen.

Aber was hat das mit Schulbildung zu tun? Ganz einfach: Die digitale Transformation ist kein Naturgesetz: Wir Menschen sind deren Auslöser und wir können auch ihren Kurs bestimmen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir ein Grundverständnis mitbringen, sowohl für die technische Funktionsweise digitaler Technologien, als auch die gesellschaftlichen Prozesse, die sie auslösen. Nur so sind wir in der Lage dazu, einen bewussten Umgang mit digitalen Technologien zu wählen, unerwünschte Nebeneffekte möglichst frühzeitig zu erkennen und so eine gewisse Autonomie des Individuums zu bewahren. Dieses Grundverständnis für digitale Technologien und digitale Transformation zu schaffen ist Aufgabe der Schulbildung.

Welche Kompetenzen sind erforderlich?

Um zu bewerten, ob es der Schulbildung gelingt, den Schüler*innen ein entsprechendes Verständnis von Digitalisierungsthemen zu vermitteln, ist es zunächst erforderlich, diejenigen Kompetenzen zu bestimmen, die für ein solches Verständnis erforderlich sind. Erst in einem zweiten Schritt kann dann bewertet werden, ob es gelungen ist, diese Kompetenzen angemessen zu vermitteln und wenn nicht, welche weiteren Maßnahmen zu deren Umsetzung ergriffen werden müssen. Die Europäische Kommission hat zu diesem Zweck die Entwicklung des Frameworks DigComp [2] in Auftrag gegeben, das solche relevanten Kompetenzen identifizieren soll. Auch für die deutsche Schulbildung beruft sich die Kultusminister Konferenz auf dieses Framework und identifiziert in ihrem Strategiepapier “Bildung in der digitalen Welt” [1] ähnliche Kompetenzen.

Kompetenzen in insgesamt sechs Bereichen hat die Kultusminister Konferenz als notwendig für eine zukunftsfähige Schulbildung identifiziert:

  • Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren
  • Kommunizieren und Kooperieren
  • Produzieren und Präsentieren
  • Schützen und sicher Agieren
  • Problemlösen und Handeln
  • Analysieren und Reflektieren
Auflistung aller von der Kultusminister Konferenz identifizierten digitalen Kompetenzen gegeliedert nach 6 Komptenzfeldern

Kompetenzen in der digitalen Welt, Grafik von Manfred Schulz, mit freundlicher Genehmigung der Kultusminister Konferenz.

Auch das DigComp-Framework identifiziert ähnliche Kompetenzfelder, wenngleich es mit nur fünf Bereichen auskommt. Im Gegensatz zum DigComp-Framework verzichtet die Kultusminister Konferenz jedoch darauf, für jede Kompetenz unterschiedliche Professionalisierungsgrade festzulegen. Das erschwert eine Bewertung dessen, wie tiefgehend und umfangreich die aufgeführten Kompetenzen in der Schulbildung schließlich vermittelt werden.

Verankerung in den Lehr-/Bildungsplänen

In dem Strategiepapier “Bildung in der digitalen Welt” [1] aus dem Jahr 2016 verpflichten sich die Kultusministerien der Länder dazu, die in dem Papier festgehaltenen Ziele schrittweise zu realisieren, spätestens jedoch so, dass alle Schüler*innen, die zum Schuljahr 2018/2019 eingeschult werden, am Ende ihrer Schullaufbahn alle diese Kompetenzen erworben haben. Das ist eine gute Gelegenheit, sich anhand der verschiedenen Lehrpläne einen ersten Eindruck davon zu verschaffen, wie die Umsetzung dieses Ziels bislang gediehen ist.

Auffällig erscheint dabei zunächst, dass einige Bundesländer seit Verabschiedung des Strategiepapiers im Jahr 2016 ihre Lehr-/Bildungspläne kaum bis gar nicht überarbeitet haben. Bestand dazu kein Bedarf, weil die Ziele des Strategiepapiers bei ihnen bereits verwirklicht sind? Oder plant man in diesen Ländern etwa mit der Umsetzung der formulierten Ziele erst jetzt zu beginnen, nachdem die Schüler*innen, denen die entsprechenden Kompetenzen erstmals bis zu deren Abgang vermittelt werden sollen, eingeschult wurden?

 

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg hat man sich bei der Einführung der aktuellen Bildungspläne (meist von 2016) an den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur “Medienbildung in der Schule” von 2012 [7] orientiert. Darin werden zwar keine konkreten Kompetenzen genannt, grundsätzlich ist man beim Kultusministerium in Baden-Württemberg aber überzeugt, dass die momentanen Bildungspläne den Kompetenzrahmen der Strategie “Bildung in der digitalen Welt” erfüllen. Um sicherzugehen überprüft man Angaben des Kultusministeriusm zufolge derzeit jedoch, ob hinsichtlich der Verankerung der Kompetenzen weiterer Handlungsbedarf besteht.

Derzeit wird die Vermittlung digitaler Kompetenzen durch die landeseigene “Leitperspektive Medienbildung” [8] bestimmt, die in allgemeinbildenden Schulen von der ersten Klasse bis zum jeweiligen Schulabschluss in alle Fachpläne integriert ist. Diese Leitperspektive greift jedoch nur einige der Kompetenzbereiche des Kompetenzrahmens der Kultusminister Konferenz auf. Der Bereich Problemlösen und Handeln etwa scheint darin bislang nicht berücksichtigt zu sein.

 

Bayern

In Bayern wurden die Lehrpläne beinahe aller Schulformen seit 2016 nicht, bzw. nur marginal überarbeitet. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen spielt darin dementsprechend nur punktuell eine Rolle und erweckt nicht den Eindruck einer systematischen Vermittlung. Zum Ende der Grundschulzeit etwa dürften Schüler*innen den bayerischen Lehrplänen gemäß gerade einmal mit “Kindersuchmaschinen” und einfachsten Programmen wie simplen Rastergrafik-Bildbearbeitungsprogrammen oder Textverarbeitungsprogrammen rudimentär umgehen können. Andere Kompetenzbereiche werden in bayerischen Grundschulen höchstens im Wahlpflichtfach Ethik angeschnitten, aber in einem Land in dem eines der obersten und erstgenanntes Bildungsziel die “Ehrfurcht vor Gott” (vgl. Bayerische Landesverfassung Art. 131 Abs. 2) ist, lässt sich leicht nachvollziehen, dass damit die wenigsten Schüler*innen erreicht werden.

Auch in weiterführenden Schulen, beispielsweise in Realschule und Gymnasium entsteht bei Sichtung der jeweiligen Lehrpläne der Eindruck, dass die digitalen Kompetenzen der Kultusminister Konferenz wenig systematisch Bestandteil der Lehrpläne sind. Hier und da sollen Schüler*innen zur Bewältigung einer fachlichen Aufgabenstellung ein Textverarbeitungs- oder Präsentationsprogramm benutzen oder etwas “im Internet recherchieren”. Natürlich gibt es auch spezielle Fächer wie Informatik, in denen einzelne Kompetenzbereiche umfangreich vermittelt werden, insgesamt bleibt jedoch der Eindruck, dass mit der Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz bislang noch gar nicht begonnen wurde.

Auf Nachfragen dazu hat das bayerische Kultusministerium bislang nicht reagiert.

 

Berlin

Auf eine Nachfrage zur Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz im Berliner Kultusministerium erhielten wir bislang keine Antwort.

 

Brandenburg

In Brandenburg hat man, wie in Berlin, die von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen mit dem sogenannten Basiscurriculum Medienbildung [4] als landesweiten Standard umgesetzt. Dieser ist bereits seit dem Schuljahr 2017/18 unterrichtsrelevant. Das Ziel der Kultusminister Konferenz eine Vermittlung aller Kompetenzen für die im Jahr 2018/19 eingeschulten Schüler*innen zu gewährleisten scheint vom Land Brandenburg also hinsichtlich der Lehrpläne ohne Einschränkung erfüllt zu sein. In einem nächsten Schritt soll ab dem Schuljahr 2019/20 nun ein flächendeckendes Fortbildungsprogramm für Lehrkräfte aufgelegt werden, das sich an dem von der Europäischen Kommission für Lehrkräfte ausgearbeiteten Kompetenzframework DigCompEdu [5] orientieren soll.

 

Bremen

In Bremen verfolgt man zur Umsetzung der digitalen Kompetenzen der Kultusminister Konferenz-Strategie einen “bottom up”-Ansatz, bei dem die Schulen zunächst angehalten sind, die Kompetenzen zunächst in die Curricula der Fächer zu integrieren. Daraus sollen Hinweise und Empfehlungen für die künftige Überarbeitung der Bildungspläne gewonnen werden, hieß es aus dem Büro der Senatorin für Kinder und Bildung. Insbesondere ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der Oberschule Habenhausen soll dabei skalier- und adaptierbare Ergebnisse liefern, die dann auch auf andere Schulen übertragen und in die Bildungspläne integriert werden können.

Diesem Ansatz ist es wohl geschuldet, dass im Hinblick auf die fachlichen Bildungspläne derzeit noch geprüft wird, in welchen Fächern digitale Kompetenzen bereits abgebildet werden und wo noch Überarbeitungsbedarf besteht. Zwar ist die momentane Realisierung der Ziele der Kultusminister Konferenz von 2016 damit nur schwer abschätzbar, der Ansatz verspricht aber auf den ersten Blick, dass letztlich eine Umsetzung gefunden wird, die der konkreten Bildungspraxis in den Schulen angemessen ist. 

 

Hamburg

Auf eine Nachfrage zur Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz im hamburger Kultusministerium erhielten wir bislang keine Antwort.

 

Hessen

In Hessen bestimmen die sogenannten Kerncurricula, welche Kompetenzen Schüler*innen zum Ende ihrer Schullaufbahn und nach bestimmten Abschnitten ihres Bildungsweges erworben haben sollten. Dabei ist der Aufbau von Medienkompetenzen derzeit in den überfachlichen Kompetenzen der Kerncurricula enthalten. Momentan konkretisiere man die Inhaltsfelder der Kerncurricula unter Berücksichtigung des Kompetenzrahmens der Kultusminister Konferenz “Bildung in der digitalen Welt”, hieß es aus  dem hessischen Kultusministerium. Damit würden Lehrer*innen eine bessere Orientierung zur Vermittlung der Kompetenzen bekommen.

 

Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern sollen die Rahmenpläne der einzelnen Fächer in Zukunft den Beitrag des jeweiligen Faches zur Vermittlung der von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen herausarbeiten. “Da dieser Prozess einige Jahre in Anspruch nehmen wird, wurde zu Beginn des Schuljahres 2018/19 ein Brückenrahmenplan ‘Digitale Kompetenzen’ [10] erlassen”, heißt es aus dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg Vorpommern. Der Brückenrahmenplan legt für die einzelnen Kompetenzen verbindliche Leitfächer fest, um die Umsetzung dieser zu garantieren.

Außerdem wird im kommenden Schuljahr ein verpflichtendes Fache “Informatik und Medienbildung” [11] in allen Schularten von der 5. bis zur 10. Klasse eingeführt.

Informatische Kompetenzen bei Schüler*innen seien die “Basis für das Verständnis der Digitalisierung unserer Gesellschaft”, heißt es dazu aus dem Ministerium für Bildung. Damit ist das Land Mecklenburg-Vorpommern eines der wenigen Länder, die ihren Fokus bei der Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz nicht vorrangig auf Medienkompetenz legen, sondern vor allem auch die informationstechnischen Kompetenzen von Anfang an in den Vordergrund stellen.

 

Niedersachsen

In Niedersachsen ist man immerhin bereits dabei, sich selbst einen Überblick darüber zu verschaffen, was denn in den eigenen Lehrplänen stehe und inwiefern die von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen darin bereits umgesetzt sind, bzw. inwiefern “welche noch wann ergänzt werden sollten”, wie eine Sprecherin des Niedersächsichen Kultusministeriums auf Nachfrage mitteilte. Besonders weit ist man dabei scheinbar noch nicht gekommen. Da es sich bei dem Ganzen um eine “work in progress” handele, sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu beantworten, welche Kompetenzen in den Lehrplänen bereits integriert seien und welche noch integriert werden müssen. Trotzdem ist man überzeugt, dass das Land Niedersachsen bereits “eine Menge hinsichtlich Medienbildung” tue. Ziel für die Zukunft sei “eine stärkere Systematisierung”. Vielleicht bedeutet das ja, dass es dann in Zukunft auch gelingt, einen Überblick darüber zu bewahren, welche Kompetenzen Teil der Lehrpläne sind und welche nicht.

Zunächst einmal arbeite man jedoch “mit Hochdruck an der Umsetzung des DigitalPakts und allen damit verbundenen Maßnahmen”. Das scheint verständlich, wer würde sich schon eine solche Finanzspritze entgehen lassen. Und wenn dann die konkreten Bildungsinhalte vorerst hinten anstehen, ist das wohl ein fairer Preis.

 

Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen soll im kommenden Schuljahr 2019/20 die gymnasiale Bildung wieder neun statt acht Jahre in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang wurden für die Gymnasien auch die Kernlehrpläne überarbeitet und an den Medienkompetenzrahmen NRW [3] angepasst. Dieser Medienkompetenzrahmen ist das landesspezifische Pendant zur Kultusminister Konferenz-Strategie “Bildung in der digitalen Welt”. In den Gymnasien sind die Ziele der Kultusminister Konferenz also ab dem kommenden Schuljahr in die Kernlehrpläne integriert.

Die Lehrpläne anderer Schulformen sollen – sofern sie die Ziele der Kultusminister Konferenz nicht bereits umsetzen – ebenfalls weiterentwickelt werden. Für den Übergang sollen die Schulen sich zur Überarbeitung ihrer Medienkonzepte an den Änderungen der gymnasialen Lehrpläne orientieren, um zu sehen, welche Unterrichtsfächer welchen Beitrag leisten können, hieß es aus dem NRW-Schulministerium.

 

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz trat zum 01.08.2019 die “Richtlinie zur digitalen Bildung in der Primarstufe” [9] in Kraft, die die von der Kultusminister Konferenz identifizierten digitalen Kompetenzen in der Grundschulbildung verankert. Im weiteren Verlauf sollen die Fachlehrpläne für die Sekundarstufe I überarbeitet und darin die jeweilien Kompetenzen integriert werden. Einen ersten Schritt in Richtung Digitalisierung hat man dabei bereits hinter sich gebracht: Die Lehrpläne wurden digitalisiert und es wurden Video-Tutorials für Lehrer*innen erstellt, um diese bei der Arbeit mit den neuen, digitalen Lehrplänen zu unterstützen. In diese Richtung soll bis 2023 auch noch eine umfangreiche Fortbildung aller Lehrer*innen realisiert werden, sodass diese den Schüler*innen die Kompetenzen zur “Bildung in der digitalen Welt” vermitteln können, hieß es aus dem Ministerium für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz.

 

Saarland

Im Saarland arbeitet man daran, die Kompetenzen der Kultusminister Strategie “Bildung in der digitalen Welt” in einem “Basiscurriculum Medienbildung und informatische Bildung umzusetzen. Mithilfe dieses Basiscurriculums sollen dann die bereits in den Fachlehrplänen integrierten Kompetenzen systematisiert und hinsichtlich den Kompetenzen der Kultusminister Konferenz vervollständigt werden. Die daraus folgende Überarbeitung der Lehrpläne soll sukzessive erfolgen, rechtzeitig um die Zielsetzung der Kultusminister Konferenz zu erreichen, dass alle 2018/19 eingeschulten Schüler*innen die Kompetenzen bis zum Ende der Pflichtschulzeit erworben haben werden, hieß es aus dem saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur.

 

 

Sachsen

Auf eine Nachfrage zur Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz im sächsischen Kultusministerium erhielten wir bislang keine Antwort.

 

Sachsen-Anhalt

Auch in Sachsen-Anhalt hat man das Strategiepapier der Kultusminister Konferenz “Bildung in der Digitalen Welt” bereits in ein eigenes Landeskonzept [6] integriert. Dieses Landeskonzept soll als Grundlage zur Überarbeitung der Lehrpläne genutzt werden. Die überarbeiteten Entwurfsfassungen der Lehrpläne für Grund-, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen sollen laut Bildungsministerium im Herbst 2019 zur Verfügung stehen.

 

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein werden die von der Kultusminister Konferenz identifizierten digitalen Kompetenzen als sogenannte Fachanforderungen formuliert. Wie diese zu erreichenden Kompetenzen von den Schulen vermittelt werden, soll dabei nicht vorgeschrieben werden. Stattdessen wird ein breites Angebot an Unterstützung bereitgestellt, die Fortbildungen, Kongresse und Online-Fortbildungsangebote für Lehrkräfte umfassen, aber auch ein Modellschulprojekt beinhalten, in dem 130 Schulen aller Schularten mit “vorbildhaften Konzepten” arbeiten und anderen Schulen die Möglichkeit des Austausches bieten. Die konkrete Vermittlung der von der Kultusminister Konferenz ermittelten digitalen kompetenzen bleibt in Schleswig-Holstein also den einzelnen Schulen überlassen.

 

Thüringen

In Thüringen existiert in Grundschulen und den Klassenstufen 5 bis 10 der verpflichtend zu unterrichtende Kurs “Medienkunde”, der einen Großteil der digitalen Kompetenzen der Kultusminister Konferenz bereits abdeckt. Der Kurs “Medienkunde” wird dabei für jeweils zwei Jahre in unterschiedliche Fächer integriert und umfasst ab der 5. Jahrgangsstufe jeweils 2 Jahreswochenstunden. Seit dem Schuljahr 2017/18 ist der Kurs Medienkunde auch Bestandteil der Grundschulbildung.

Derzeit werden laut Auskunft des Thüringischen Kultusministeriums die Leitgedanken der Thüringer Lehrpläne überarbeitet, um Hinweise und Erläuterungen zu den Kompetenzen der Kultusminister Konferenz einzubinden.

 

Fazit

Im Jahr 2014 schreckte die Veröffentlichung der Ergebnisse der “International Computer and Information Literacy Study” von 2013 [a] das deutsche Bildungswesen auf. Rund ein Viertel der Schüler*innen der achten Jahrgangsstufe war damals nicht in der Lage dazu, eigenständig Informationen mithilfe eines Computers zu recherchieren und entsprechend weiterzuverarbeiten. 2018 startete eine zweite Runde der ICIL-Studie, die Ergebnisse stehen noch aus.

Betrachtet man jedoch, was sich seit 2013 an den Lehrplänen der Bundesländer geändert hat und welche Rolle digitale Kompetenzen darin spielen, besteht kaum Anlass für Optimismus, immerhin sind selbst die wenigen plausiblen Umsetzungen der Kultusminister Konferenz-Strategie in den Lehrplänen für die in der Studie betrachtete 8. Jahrgangsstufe ohnehin erst in einigen Jahren unterrichtsrelevant.

Doch auch wenn die Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz bislang nur in wenigen Ländern (Brandenburg, Thüringen) abgeschlossen scheint, besteht doch ein wenig Anlass zur Hoffnung: In den letzten Jahren gewann das Thema stark an Bedeutung und so arbeiten derzeit beinahe alle Länder aktiv an einer Umsetzung der Ziele der Kultusminister Konferenz. Das Hauptproblem, so scheint es, ist nicht etwa, dass dem Thema keine Bedeutung beigemessen werden würde, sondern schlicht die Trägheit des bürokratischen Bildungsapparats.

2019 – Manuel Ziegler

Links

[1] Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusminister Konferenz.

Die Kultusminister Konferenz hat 2016 ein Strategiepapier veröffentlicht, in der sie das Thema Digitalisierung in der Bildung angeht. Die teilnehmenden Länder verpflichteten sich darin, den Erwerb der in dem Papier identifizierten Kompetenzen spätestens bis zum Abgang der Schüler*innen, die 2018/19 eingeschult wurden, allen Schüler*innen zu ermöglichen. Zusätzlich sollen allen Schüler*innen an allen weiterführenden Schulen bis 2021 digitale Lernumgebungen zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Die von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen im Hinblick auf Digitalisierung gliedern sich in 6 Bereiche:

  • Suchen, Auswerten und Aufbewahren
  • Kommunizieren und Kooperieren
  • Produzieren und Präsentieren
  • Schützen und sicher Agieren
  • Problemlösen und Handeln
  • Analysieren und Reflektieren

 

Weblink: https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/strategie-bildung-in-der-digitalen-welt.html

Download als PDF: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/Digitalstrategie_KMK_Weiterbildung.pdf

[2] DigComp 2.1: The Digital Competence Framework for Citizens

Das “Digital Competence Framework for Citizens” (DigComp) ist ein von der EU Kommission in Auftrag gegebenes Framework zur Bestimmung und Vermittlung der notwendigen digitalen Kompetenzen, die aus ihrer Sicht jede*r Bürger*in besitzen sollte. Das aktuell in der Version 2.1 vorliegende Framework bestimmt zu diesem Zweck acht Professionalisierungsgrade, die dazu dienen sollen, diese Kompetenzen in der schulischen (und außerschulischen) Bildung entsprechend zu vermitteln.

Das DigComp-Framework soll als Vorlage zur Vermittlung der identifizierten Kompetenzen an den jeweiligen Schulen dienen. In der Bundesrepublik Deutschland nimmt etwa das Strategiepapier “Bildung in der digitalen Welt” der Kultusminister Konferenz [1] Bezug auf eine frühere Version dieses Frameworks.

 

Weblink: https://ec.europa.eu/jrc/en/publication/eur-scientific-and-technical-research-reports/digcomp-21-digital-competence-framework-citizens-eight-proficiency-levels-and-examples-use

Download als PDF: http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC106281/web-digcomp2.1pdf_(online).pdf

[3] Medienkompetenzrahmen NRW

Der Medienkompetenzrahmen NRW ist die landeseigene Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz “Bildung in der digitalen Welt” [1] des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

Weblink: https://medienkompetenzrahmen.nrw/

[4] Basiscurriculum Medienbildung der Länder Berlin und Brandenburg

Das Basiscurriculum Medienbildung ist die länderspezifische Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz “Bildung ind er digitalen Welt” [1] der Länder Berlin und Brandenburg. Die unterschiedlichen Kompetenzen sollen dabei in zwei Niveaustufen (D und G) vermittelt werden, die jeweils bis zum Ende der Grundschulzeit bzw. bis zum Ende der Sekundarstufe I (10. Klasse) erreicht werden sollen.

 

Weblink: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/rlp-online/b-fachuebergreifende-kompetenzentwicklung/basiscurriculum-medienbildung/standards

[5] DigCompEdu: European Framework for the Digital Competence of Educators

Das DigCompEdu ist ein vond er Europäischen Kommission in Auftrag gegebenes Kompetenzframework für Lehrende, das die zur Vermittlung der im DigComp-Framework [2] identifizierten Kompetenzen notwendigen Kompetenzen für Lehrende beschreibt.

 

Weblink: https://ec.europa.eu/jrc/en/digcompedu

Download als PDF: http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC107466/pdf_digcomedu_a4_final.pdf

[6] Landeskonzept zur Umsetzung der Strategie der Kultusministerkonferenz “Bildung in der digitalen Welt” des Landes Sachsen-Anhalt

Das Landeskonzept des Landes Sachsen-Anhalt zur Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz “Bildung in der digitalen Welt” [1] analysiert den derzeitigen Stand der Vermittlung digitaler Kompetenzen und klärt so den Handlungsbedarf zur Umsetzung der Strategie der Kultusminister Konferenz in Sachsen Anhalt.

 

Download als PDF: https://www.bildung-lsa.de/files/65b5cf92b71fc13a77a4a24bf100c0d9/digitale_medien.pdf

[7] Empfehlung “Medienbildung in der Schule” der Kultusminister Konferenz

Die Empfehlung “Medienbildung in der Schule” der Kultusminister Konferenz von 2012 benennt verschiedene Handlungsfelder zur Verbesserung der Medienbildung an Schulen, darunter eine stärkere Integration der Medienbildung in die Lehr- und Bildungspläne, Fortbildungen für Lehrer*innen, eine bessere technische Ausstattung und weitere.

 

Weblink: https://www.kmk.org/themen/allgemeinbildende-schulen/weitere-unterrichtsinhalte/medienbildung.html

Download als PDF: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_03_08_Medienbildung.pdf

[8] Leitlinie Medienbildung des Landes Baden-Württemberg

Die Leitlinie Medienbildung soll in Baden-Württemberg die Verankerung von Medienbildung in den Bildungsplänen garantieren.

 

Weblink: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/LP/MB

[9] Richtlinie zur digitalen Bildung in der Primarstufe des Landes Rheinland-Pfalz

Die Richtlinie zur digitalen Bildung in der Primarstufe trat am 01. August 2019 in Kraft und verankert alle von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen in der Grundschulbildung.

 

Download als PDF: https://grundschule.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/grundschule.bildung-rp.de/Downloads/Aktuelles/Richtlinie_Digitale_Bildung_Primarstufe.pdf

[10] Brückenrahmenplan “Digitale Kompetenzen” des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Bis zur endgültigen Verankerung der von der Kultusminister Konferenz identifizierten Kompetenzen in den Rahmenplänen der jeweiligen Fächer, soll in Mecklenburg Vorpommern ein Brückenrahmenplan die verbindliche Vermittlung der Kompetenzen in jeweiligen Leitfächern regeln.

 

Weblink: https://www.bildung-mv.de/lehrer/medienbildung/rahmenplan-digitale-kompetenzen/

Download als PDF: https://www.bildung-mv.de/export/sites/bildungsserver/downloads/unterricht/rahmenplaene_allgemeinbildende_schulen/fachuebergreifend/Finalfassung-Rahmenplan-digitale-Kompetenzen.pdf

[11] Das verpflichtende Fach “Informatik und Medienbildung” in Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern wird mit dem Schuljahr 2019/20 das Fach “Informatik und Medienbildung” für alle Schulen von der 5. bis zur 10. Jahrgangsstufe verpflichtend. Unter dem angegebenen Link finden sich die Rahmenpläne für die verschiedenen Ausprägungen des Faches.

 

Weblink: https://www.bildung-mv.de/schueler/schule-und-unterricht/faecher-und-rahmenplaene/rahmenplaene-an-allgemeinbildenden-schulen/informatik/

Studien

[a] ICILS 2013

Die Studie “International Computer and Information Literacy Study” (ICILS) ist die größte vergleichende internationale Studie zu Computer- und Medienkompetenzen von Schüler*innen. Für das deutsche Bildungswesen kommt ICILS 2013 zu dem Ergebnis, dass rund ein Viertel der Schüler*innen der achten Jahrgangsstufe nicht in der Lage dazu ist, selbstständig mithilfe von Computern Informationen zu recherchieren und entsprechend weiterzuverarbeiten.

 

Weblink: https://www.iea.nl/index.php/studies/iea/icils/2013

Download als PDF [International Report]: http://iea-d8.ilsa-gateway.net/sites/default/files/2019-04/ICILS_2013_International_Report.pdf

Download als PDF [Berichtsband in deutscher Sprache]:  https://www.waxmann.com/fileadmin/media/zusatztexte/ICILS_2013_Berichtsband.pdf